Hufbearbeitung ist ein wichtiges Thema für jeden Pferdebesitzer, und ein Thema das mich sehr interessierte und faszinierte. Ich begann mich einzulesen und besuchte Wochenendkurse, doch ich hatte immer noch offene Frage. Ich bearbeitete die Hufe meiner Pferde selber, ich habe gerade mal 2 Hufe in einer Stunde geschafft und endete oftmals mit Rückenschmerzen. Dennoch habe ich mich dafür entschieden, die Ausbildung zur Hufpflegerin zu machen, ohne zu wissen ob ich jemals fähig sein werde, die Hufpflege beruflich auszuführen. Es hat mich interessiert und ich musste einfach mehr wissen.
Individuelle Voraussetzungen
Ich habe keinen besonders guten Rücken, ich habe einen relativ langen Rücken und bin eine eher schlaksige Person. Auch meine Rumpfstabilität war immer noch nicht sehr gut obwohl ich regelmässig reite und zu dem Zeitpunkt schon ein paar Jahre Kampfsport gemacht habe und auch regelmässig das Kraft- und Konditraining besucht habe. Meine Wirbelsäule ist sehr instabil und meine Wirbel blockieren regelmässig. Das hat mein Vorhaben nicht erleichtert.
Meine Anfänge mit der Hufpflege und der Alexandertechnik
Als ich 2013 die Ausbildung zur Hufpflegerin startete, hatte ich schon ein paar Jahre Erfahrung mit der Alexandertechnik, ich hatte bereits mehrere Kurse besucht und hatte einige Privatlektionen mit und ohne Pferd. Mit der Ausbildung und besserem Werkzeug wurde die Hufbearbeitung etwas leichter, aber es hat mich dennoch gefordert sehr auf mich und vor allem auf meinen Rücken zu achten. Mein Rücken hat öfters mit Schmerzen reklamiert, doch dank der Alexandertechnik konnte ich Möglichkeiten herausfinden, wie ich mich anders bewege oder in eine andere Haltung gehen um Probleme mit meinem Rücken zu verhindern. Es war ein Ausprobieren, ein learning by doing. Doch ich habe festgestellt es gibt eine Weg, wenn ich achtsam mit mir umgehe, kann ich Hufe bearbeiten.
Das finden der natürlichen Ausrichtung und das bewusste Bewegen
2015 habe ich die Schule zur Alexandertechnik-Lehrerin/Therapeutin angefangen und in dem Jahr habe ich mich auch Selbständig gemacht. In der Schule hatten wir sehr viel Praxis, wir haben mit uns Selbst gearbeitet, gelernt bewusster zu werden und Bewegungen bewusster auszuführen. Es wurde mit mir gearbeitet um meinen Körper wieder zurück in seine natürliche Ausrichtung zu bringen. Wir hatten 2-3 mal Schule pro Woche. Das hat mir unglaublich viel geholfen als ich immer mehr Pferde für die Hufbearbeitung übernommen habe. Ich bin überzeugt davon, ohne die Alexandertechnik wäre ich keine Hufpflegerin.
Innehalten und bewusstes Berühren
Die Alexandertechnik hilft mir aber nicht nur, damit ich die Hufpflege ohne Rückenschmerzen ausführen kann, ein anderer wichtiger Teil ist das Innehalten und das bewusste Berühren. In der Ausbildung verwenden wir sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit dafür, wie wir etwas berühren, sei das ein anderer Mensch, ein Gegenstand oder für mich natürlich auch ein Pferd. In der Regel sind Menschen sehr achtlos mit Berührungen, sie wollen den Huf, fokussieren auf den Huf und wollen, dass ihn das Pferd anhebt. Da fehlt der Kontakt zum Pferd, die Beziehung mit dem Pferd. Pferde sind sehr feinfühlig, sie fühlen genau wie man ihnen begegnet. Es mag jetzt etwas schwierig sein, zu verstehen wie weitreichend der Unterschied ist wenn man das noch nicht erlebt hat. Oftmals wird uns das so beigebracht, doch niemand mag es funktionieren zu müssen, ohne gesehen zu werden. Als Hufpflegerin begebe ich mich in eine Position die nicht ungefährlich ist, eine gute Beziehung zum Pferd aufzubauen ist auch aus Sicherheitsgründen elementar.
Das lesen der Körperspannung
Wenn ich einen Huf in der Hand habe, ist meine Sicht sehr eingeschränkt, ich kann meistens weder den Gesichtsausdruck des Pferdes sehen, noch sehe ich was seine Ohren machen. Pferde sind Fluchttiere, Pferde können sehr schnell reagieren, es ist wichtig für mich zu spüren, wenn das Pferd etwas besorgt. Was ich aber wahrnehmen kann, ist die Körperspannung. Mein Bewusstsein für die Körperspannung ist durch die Alexandertechnik geschult worden. Bin ich im Kontakt mit der Körperspannung, warnt mich eine Veränderung derer, dass etwas meine Beachtung braucht. Ich kann meinen Blick vom Huf abwenden und den Gesichtsausdruck des Pferdes lesen um weitere Informationen zu gewinnen und so adäquat auf die Situation zu reagieren.
Die Körperspannung zu lesen hilft mir ein Pferd, dass ich noch nicht so gut kenne, besser einzuschätzen. Oftmals wird ein angespanntes aber braves Pferd mit einem entspannten Pferd verwechselt. Das ist aber ein grosser Unterschied, ein braves Pferd mit einer erhöhten Grundspannung wird zu viel heftigeren Reaktionen neigen, als ein Pferd das effektiv entspannt und geerdet ist. Viele Pferdebesitzer verwechseln diese Überreaktionen mit dem Charakter des Pferdes. Obwohl es häufig nur ein disreguliertes Nervensystem ist, aus unterschiedlichen Gründen, meist menschgemacht. Grundsätzlich ist es möglich auf der Ebene des Nervensystems zu arbeiten und so das Pferd wieder in echte Entspannung zu bringen. Da viele Menschen selber ein stetig disreguliertes Nervensystem haben, bringen sie ihr Pferd ständig wieder aus dem Gleichgewicht. Die Alexandertechnik könnte da dem Pferdebesitzer wunderbar helfen. Leider ist nicht jeder Pferdebesitzer offen dafür, da es in vielen Fällen Arbeit an sich selbst bedeuten würde. Das Realisieren, was für ein Pferd ich vor mir habe, gibt mir die Möglichkeit Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen, da wo es nötig ist.
Die Körperspannung des Pferdes gibt mir Auskunft darüber wo das Pferd mit seinem Fokus ist. Der Fokus verändert sich nicht nur, wenn das Pferd über etwas besorgt ist, er verändert sich auch, wenn das Pferd einfach grundsätzlich einen anderen Plan hat und zum Beispiel findet, dass es eigentlich etwas besseres zu tun hätte und Stillstehen viel zu langweilig ist, oder sie haben schlechte Erfahrungen gemacht und finden die Hufpflege unnötig, dumm oder gar gefährlich. Viele Pferde haben nie gelernt entspannt die Hufe zu geben. Was meine Arbeit als Hufpflegerin nicht einfacher macht. Solche Pferde ziehen die Hufe weg, lehnen sich auf einem drauf, rempeln einem an, heben die Hufe nicht oder versuchen gar zu kicken.
Das Erkennen von körperlichen Einschränkungen
Andere Pferde haben körperliche Probleme, zum Beispiel Blockaden im Rücken und häufig damit verbunden Rückenschmerzen und/oder Bewegungseinschränkungen der Hinterbeine, andere haben Arthrose und es fällt ihnen schwer das Bein zu biegen oder zu belasten, Muskelverkürzungen, was wieder häufig den Bewegungsradius oder die Fähigkeit auf 3 Beinen zu stehen einschränkt. Es gibt natürlich noch diverse andere Probleme, die sich auf die Hufbearbeitung auswirken. Im Optimalfall kann man mit dem Pferd eine Zusammenarbeit entwickeln, bei der es sich für einen gewissen Zeitraum zusammenreisst und ich die Hufe schnellstmöglich bearbeite und ihm genügend oft eine Pause gebe. Und auch hier muss ich mich gut reinfühlen können, wie lange ich dem Pferd zumuten kann, den Huf oben zu lassen. Im weniger idealen Fall, zappelt das Pferd grundsätzlich rum, hebt die Hufe nicht vom Boden, lehnt sich auf mich drauf und die Arbeit ist eine körperliche Herausforderung, die all meine Skills in gesunder Körperhaltung benötigt.
Unkooperative Pferde
Unkooperative Pferde zu bearbeiten ist kein Spass, und die Belastung auf den Körper ist massiv erhöht. Hier ist es auch nötig, den Besitzer mit in die Verantwortung zu ziehen, damit das Pferd lernt besser mitzuarbeiten, oder das körperliche Probleme des Pferdes gelöst wird. Das ist jedoch etwas das mir persönlich nicht sonderlich leicht fällt. Mein Körper sagt mir, dass sich etwas ändern muss, da ich mich sonst schädige und wenn mein Rücken kaputt ist, werden diese Pferdebesitzer sicher nicht meine Rechnungen bezahlen.
Meine eigenen Grenzen erkennen und wahren
Ich muss meine körperlichen Grenzen sehen und trotz aller guter Technik gibt es ein Limit. Wie viele Pferde kann ich pro Tag machen? Wie viele Pferde pro Woche? Da meine Hufbearbeitungskunden wiederkehrend sind, kann ich die Pferde einschätzen und weiss ungefähr wie viel Kraft sie von mir brauchen. Und manche Pferde brauchen so viel Kraft wie 3 normale Pferde. Das muss ich alles realistisch einkalkulieren um meinen Körper nicht zu überstrapazieren und zu schädigen. Ich muss auch bereit sein, mein Pensum immer wieder zu überschauen und anzupassen, so dass ich meinen Körper auch längerfristig nicht überfordere. Hufbearbeiter zu sein, ist ein harter Job, der mit vielen Herausforderungen kommt. Das gibt mir aber die Möglichkeit aus eigener Erfahrung zu berichten wie hilfreich die Alexandertechnik ist.
Physiologische Hufbearbeitung
Zur Hufbearbeitung gehört auch, die Hufe so zu bearbeiten, dass das Pferd möglichst ausbalanciert auf seinen Hufen stehen und sich frei bewegen kann. Eine unphysiologische Hufform beeinflusst das ganze Pferd und kann dazu führen, dass das Pferd anderswo Probleme bekommt. Umgekehrt wirken sich Probleme, die das Pferd oben hat und auch die Reitweise auf die Hufe aus. Somit kann ich an den Hufen erkennen, wie ausbalanciert und gesund ein Pferd sich bewegt. Nicht alles kann über die Hufe korrigiert werden, sind die Einflüsse von Bewegungsmuster und Reitweise zu gross, sind positive Veränderungen limitiert. Dennoch kann ich mit jeder Hufpflege einen gewissen Spielraum ausschöpfen um dem Pferd einen Impuls in Richtung Balance zu geben. Die Alexandertechnik hat mein Wissen über gesunde Körperhaltung und dem Erkennen von Spannungen und Bewegungseinschränken geschult, was mir auch bei der Hufbearbeitung zu Gute kommt.
Wie ich mit mir selber arbeite
Ich arbeite gerne mit einem spezifischen Thema mit mir selber, das sich regelmässig verändert. Zur Zeit arbeite ich wieder vermehrt mit meinen Füssen. Gerne lade ich auch dich dazu ein bei deinem Job oder bei deinen Freizeitaktivitäten mal deine Füsse zu beobachten. Stehst du ausbalanciert auf deinen Füssen? Versuchen deine Zehen den Boden festzuhalten? Ist mehr Gewicht im vorderen oder im hinteren Bereich der Füsse? Kippst du eher nach innen oder nach Aussen? Ist es dir möglich deine Füsse zu beobachten, während du mit einer anderen Aktivität beschäftigt bist?
Vor ein paar Jahren habe ich plötzlich Probleme mit meinem linken Fussgelenk bekommen, was mich dazu brachte zu beobachten was ich im Alltag mit meinem Fussgelenk mache. Ich habe festgestellt, dass ich gerne nach Aussen kippe, was eine massive Belastung für mein Fussgelenk darstellt und Gelenk und Bänder überlastet hat. Gerade mit meinem körperlich fordernden Job war das einfach zu viel und es hat Probleme verursacht. Jetzt weiss ich, dass ich darauf achten muss nicht in dieses Muster zu gehen. Mein Fussgelenk ist jetzt leider eine Schwachstelle, doch wenn ich nicht nachlässig werde bereitet es mir keine Probleme mehr. Das Beobachten wie ausbalanciert ich auf meinen Füssen stehe, ist sehr aussagekräftig dafür was oben geschieht, finde ich Balance auf meinen Füssen, ist meine Haltung oben auch gleich viel besser.
Disziplin
Disziplin ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Manchmal wäre es so viel einfacher, die Dinge einfach auf die Art zu tun, die sich am einfachsten anfühlt, über die man am wenigsten nachdenken muss... Doch das ist in den seltensten Fällen die gesündeste Art. Somit braucht es auch für mich immer wieder Disziplin, das was ich eigentlich weiss und kann auch umzusetzen.